Donnerstag, 14. November 2013

Hesiod und die Arbeit

Über das Leben von Hesiod gibt es kaum zuverlässige Informationen. Wir wissen lediglich, dass er etwa 700 v.Chr. vermutlich in Askra, einem armen Ort in Böotien geboren wurde.

Hesiods Werke sind neben der Ilias und Odyssee Homers die Hauptquelle der griechischen Mythologie. Hesiod gilt darüber hinaus als Begründer des didaktischen Epos. „Werke und Tage“ (Ἔργα καὶ ἡμέραι) ist solch ein episches Lehrgedicht.

Der Inhalt des Gedichts ist äußerst vielfältig: Erzählt wird zunächst der Mythos von Prometheus und der Büchse der Pandora. Der zweite Teil beschreibt die Abfolge der fünf aufeinanderfolgenden Weltzeitaltern (Goldenes, Silbernes, Bronzenes Zeitalter, heroisches Zeitalter und Eisernes Zeitalter). Nun folgt die Erzählung vom Falken (=König) und der Nachtigall (=Dichter) und schließlich schildert Hesiod seine Vision von einem Reich der Gerechtigkeit, das er dem Reich der Hybris gegenüberstellt.

Wichtig für Hesiods Verhältnis zur Arbeit ist seine Lehre von den Weltzeitaltern. Danach gab es einst „einen Urzustand ungetrübten Glücks. Es war jenes Zeitalter, da noch Kronos, der Vater aller Götter, regierte und den Menschen unendliche Wohltaten bescherte“ (28):

„Diese lebten unter Kronos, der im Himmel als König herrschte, führten ihr Leben wie Götter, hatten leidlosen Sinn und bleiben frei von Not und Jammer; 

nicht drückte sie schlimmes Altern, sie blieben sich immer gleich an Händen und Füßen, lebten heiter in Freuden und frei von jeglichem Übel und starben wie von Schlaf übermannt. 

Herrlich war ihnen alles, von selbst trug ihnen die kornspendende Erde Frucht in Hülle und Fülle. Sie aber taten ihre Feldarbeit ganz nach Gefallen und gemächlich und lieb den seligen Göttern“ (Hesiod, 111-120).

Hesiod stellt sich die Urmenschen also als Bauern und Viehzüchter, als „ätherische Landwirte“ (29) vor, die zwar arbeiten, aber eben `ganz nach Gefallen´ und `gemächlich´, „inmitten einer Verwöhnnatur, die nichts zu wünschen übrig lässt“ (28f).

Auf das Goldene folgt das Silberne Zeitalter, dann das Bronzene. Als Zwischenspiel kommt unvermutet das Zeitalter der Heroen, in dem unter anderem auch Odysseus und Achilles gelebt haben und der Trojanische Krieg stattgefunden hat – und schließlich das Eiserne Zeitalter.

Letzteres ist „gekennzeichnet durch Arbeitsfron, Konkurrenz und Misstrauen unter den Menschen“ (29). Hesiod schilderd hier schonungslos die Beschwerlichkeit und die Entbehrungen des bäuerlichen Lebens. Hier kann Hesiod auch seine umfassende Kenntnis bäuerlicher Tätigkeiten ausbreiten.

Kombiniert wird die Erzählung von den Zeitaltern mit dem Mythos von der Büchse der Pandora: Auf Weisung des Zeus hatte Hephaistos aus Lehm die erste Frau geschaffen, die den Namen Pandora erhielt. Sie war ein Teil der Strafe für die Menschheit wegen des durch Prometheus gestohlenen Feuers. Zeus wies Pandora an, den Menschen die Büchse zu schenken Sie öffnete die Büchse und daraufhin entwichen aus ihr alle Laster und Untugenden:

„Das Weib aber hob mit den Händen den mächtigen Deckel vom Fass, ließ alles heraus und schuf der Menschheit leidvolle Schmerzen“ (Hesiod, 94f).
 
... und damit fing der ganze Ärger an ...

Von diesem Zeitpunkt an eroberte das Schlechte die Welt: „Die Verstoßung aus dem Gnadenstand erfolgt, weil der Mensch sich mit dem Feuererwerb die Grundlagen seiner Kultur eigenmächtig angeeignet hat. Zuvor hatten die Götter ihm bei seinen `Werken´ gleichsam die Hand geführt, nun wirtschaftet er, im Besitz des Feuers, das ungekannte Werkzeuge zu schmieden erlaubt, auf eigene Faust drauflos. Die Strafe besteht darin, dass er nun tatsächlich seinen Lebensunterhalt herstellen, selbst produzieren muss“ (30), denn „Zeus verbarg die Nahrung grollenden Herzens“ (Hesiod, 47).

Obwohl die Hoffnung – das einzig Positive unter allen „Geschenken“ Pandoras – in der Büchse verschlossen blieb, will Zeus doch, dass in dieser gefallenen Welt Gerechtigkeit herrscht. Das wird am Ende des Werkes mehr als deutlich.

Der Anlass für die Abfassung von Werke und Tage ist ein Streit zwischen Hesiod und seinem Bruder Perses. Dieser hatte versucht, durch Meineid und Bestechung von Richtern Hesiod um sein Erbe zu bringen. Den Grund für dieses niederträchtige Verhalten erkennt Hesiod in der Faulheit und Trägheit seines Bruders. Diesem hält er die eigene Lebensweise entgegen, nach der man sich durch harte bäuerliche Arbeit Wohlstand zu erwirtschaften hat.

Griech.-lat. Ausgabe von 1539 (Basel)

Auf diese Weise wird Hesiods Buch zu einem umfassenden Appell an den Bruder, Einsicht zu zeigen und den Zorn der Götter nicht weiter zu steigern: „Er muss fleißig werden, sich seinen Lebensunterhalt selbst verdienen. Nachdem Zeus uns einmal mit der Arbeit geschlagen hat, bleibt nichts anderes übrig, als dieses Joch auf sich zu nehmen“ (31f):

„Vor das Gedeihen jedoch haben die ewigen Götter den Schweiß gesetzt“ (Hesiod, 289).

So ist es „der Wille der Götter, dass den Tüchtigen und Gerechten ein besseres Leben beschieden ist. Sie genießen den Lohn ihrer Mühen `bei frohen Festen´, ja, ihre Frauen `gebären den Vätern gleichende Kinder´! Werke und Tage ist eine Ermahnungsschrift, die auf diese Weise die verfluchte Arbeit zugleich anpreist und dem Bruder Schritt für Schritt erklärt, was auf einem Landgut über das Jahr hinweg zu tun ist“ (32):

„Dem aber zürnen die Götter und Menschen, der faul dahinlebt nach Art der stachellosen Drohnen, die faule Prasser sind und den mühsam geernteten Honig der Bienen verfressen; 

du aber tue mit Lust beizeiten die Feldarbeit, damit sich deine Scheuer mit reifem Ertrag fülle. Arbeit macht Männer reich an Herden und Habe, denn wer zupackt, ist Göttern um vieles erwünschter und auch Menschen, denn Faulpelze hassen sie gründlich.

Arbeit bringt keine Schande, Nichtstun aber ist Schande. Regst du dich nämlich, beneidet dich bald der Faule, weil du reich wirst. Den Reichtum aber begleiten Ehre und Ansehen“ (Hesiod, 303-313).


Nachtrag

In Aischylos Tragödie Der gefesselte Prometheus verteidigt sich Prometheus gegen die Vorwürfe, er habe die Vertreibung der Menschen aus dem Ur-Paradies verschuldet. Denn die Menschen im angeblich Goldenen Zeitalter waren primitive Lebewesen:


"Erdeingegraben wohnten sie, den wimmelnden
Ameisen gleich, in Höhlenwinkeln sonnenlos" 
(Aischylos, 452ff).  

Er aber habe ihnen nicht nur das Feuer, sondern überhaupt die Kultur gebracht, die sie zu wahren Menschen und Herrschern über die Erde gemacht habe:


"Sonder Ordnung, sonder Zweck
war, was sie taten; bis ich ihnen deutete
Der Sterne schwer verständlichen Auf- und Niedergang,
Die Zahl, des Geistes kühnen Griff, fand ich für sie,
Dazu geschrieb´ner Zeichen Fügung, aller Ding´
Gedächtnis, mächtig Werkzeug jeder Musenkunst.

Dann spannt´ ins Zugjoch ich zum erstenmal den Ur,
Dem Pflug zu fronden, daß damit dem Menschenleib
Die allzu große Bürde abgenommen sei,
Und schirrt´ das zügelkauende Roß dem Wagen vor,
Des überreichen Prunkes Kleinod und Gepräng;
Und auch das flutdurchschweifende, leingeflügelte
Fahrzeug des Meeres erfand kein anderer als ich."

Es ist kein Zufall, dass sich diese Interpretation der Vorgeschichte als Erfolgsgeschichte des Fortschritts, wie sie Aischylos Prometheus in seiner Tragödie in den Mund legt, in Athens Blütezeit im 5. Jahrhundert v.Chr. durchsetzte.


Zitate aus: Manfred Koch: Faulheit, Eine schwierige Disziplin, Springe 2012 (zu Klampen) -  Hesiod: Werke und Tage, übersetzt und herausgegeben von Otto Schönberger, Stuttgart 2004 (Reclam)  -  Aischylos: Die Tragödien und Fragmente, Stuttgart 1977 (Kröner)  -  Zum Hören: Manfred Koch im Philosophischen Radio auf WDR 5 

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