Donnerstag, 3. Oktober 2013

Emile Cioran und der Skandal der Schöpfung

Emile Michel Cioran ist einer der wichtigsten philosophischen Essayisten des 20. Jahrhunderts. Seine zahlreichen Bücher enthalten locker zusammengestellte Aphorismen, Kurzprosa und Essays, in denen er seine deutlich pessimistische und skeptische Weltsicht darlegt.

In seinem Buch „Die verfehlte Schöpfung“ wendet sich Cioran gegen die christliche Vorstellung, die Welt sei die Schöpfung eines guten und weisen Gottes. Sein Essay dazu trägt den bezeichnenden Titel „Der böse Demiurg“.

Cioran geht von der anthropologischen Prämisse aus, dass der Mensch – mit Ausnahme einiger Sonderfälle – nicht zum Guten neigt. Versucht der Mensch aber, das Gute zu tun, dann „muss er sich überwinden, sich Gewalt antun.“ Viel lieber dagegen sucht der Mensch nach Möglichkeiten, seinen Schöpfer zu provozieren oder zu demütigen.

So ist es schwer bis unmöglich, „zu glauben, dass der gute Gott, der `Vater´, mit dem Skandal der Schöpfung etwas zu tun hatte.“ Vielmehr muss man davon ausgehen, dass dieser Gott nichts für diese Schöpfung kann, sondern, dass sie auf einen „skrupellosen“ und „korrumpierten“ Gott weist:

Die klassische Sicht: Der gute Schöpfergott (Holzschnitt von Melchior Schwarzenberg - 1535)

„Die Güte schafft nicht, ihr mangelt es an Phantasie; deren bedarf es aber, um eine Welt herzustellen, wie hingepatzt sie auch sei. Notfalls mag eine Tat oder ein Werk aus der Mischung von Güte und Bosheit entstehen. Oder ein Weltall. Vom unsrigen aus ist es jedenfalls bedeutend leichter, auf einen anrüchigen als auf einen ehrenwerten Gott zu tippen.

So strampelt sich das Christentum seit Jahrhunderten damit ab, der Welt die Evidenz eines allmächtigen, allwissenden, allbarmherzigen und allgütigen Gottes aufzuzwingen – eine Evidenz, die letztlich keine ist.

„Wir können nicht umhin zu denken, dass die im Zustand des Entwurfes gebliebene Schöpfung nicht abgeschlossen werden konnte und es auch nicht verdiente und dass sie insgesamt ein Fehler  ist.“

Der berühmte Fehltritt des Menschen – das Naschen am Baum der Erkenntnis – erscheint also eher als „die verkleinerte Fassung einer weit schwereren Untat.“

Wenn die Genesis verkündet „Seid fruchtbar und mehret euch“ (Gen 1,28), dann sei dies letztlich eine kriminelle Aufforderung, die unmöglich aus dem Munde eines guten Gottes gekommen sein konnte. Wenn er sich wirklich seiner Schöpfungstat bewusst gewesen wäre, hatte er vermutlich befohlen „Seid selten“. Und niemals hätte er hinzugefügt: „Und macht euch die Erde untertan!“

Worin liegt also die Schuld des Menschen? Allein darin, „dass wir mehr oder weniger dienstfertig dem Beispiel des Schöpfers gefolgt sind“ – als Geschöpfe aus „den Händen eines unglücklichen und bösen Gottes, eines verfluchten Gottes.“
   
Zitate aus: Emile Michel Cioran: Die verfehlte Schöpfung, Frankfurt a.M.1979 (Suhrkamp), hier: S. 7ff

1 Kommentar:

  1. Emil Cioran war wirklich negativ und depressiv gestrickt und hat den Schopenhauerschen Pessimismus bis zum Äußersten getrieben. Den Gedanken eines Demiurgen als Schöpfergott gibt es schon seit dem Platonismus und dieser Gedanke war natürlich auch in der spätantiken und frühchristlichen Gnosis virulent. Ein schöner Artikel und ein interessantes Thema.

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