Donnerstag, 21. Februar 2013

Jacob Burckhardt und die Geschichte

Jacob Burckhardt ist bis heute vor allem als Verfasser großer kunst- und kulturgeschichtlicher Werke bekannt, darunter die „Kultur der Renaissance in Italien“ (1860) und das aus dem Nachlass herausgegebene vierbändige Werk „Griechische Kulturgeschichte“ (1898-1920).

Jacob Burckhardt
Burckhardt wurde am 25. Mai 1818 in Basel geboren, wo er, nur von Italienreisen unterbrochen, fast sein ganzes Leben verbrachte. Eine der interessantesten Episoden aus der Zeit seiner Professur für Geschichte und Kunstgeschichte (1858 – 1893) war sein intensiver geistiger Austausch mit Friedrich Nietzsche, der Anfang der 70er Jahre als junger Professor in Basel arbeitete.

Seine Bedeutung als Geschichtsphilosoph verdankt Burckhardt seiner kleinen, posthum erschienen Schrift „Weltgeschichtliche Betrachtungen“ (1905). Ausgangspunkt seiner Überlegungen ist eine Kritik an jeder spekulativen Geschichtsphilosophie: „Was nun die Eigenschaften der bisherigen Geschichtsphilosophie betrifft, so ging sie der Geschichte nach und gab Längendurchschnitte; sie verfuhr chronologisch. Sie suchte auf diese Weise zu einem allgemeinen Programm der Weltentwicklung durchzudringen, meist in höchst optimistischem Sinne.“

Insbesondere wendet sich Burckhardt gegen den von Hegel geprägten Fortschrittsoptimismus: „Er sagt, der einzige Gedanke, den die Philosophie mitbringe, sei der einfache Gedanke der Vernunft, der Gedanke, daß die Vernunft die Welt beherrsche, daß es also auch in der Weltgeschichte vernünftig zugegangen sei, und das Ergebnis der Weltgeschichte müsse (sic!) sein, daß sie der vernünftige, notwendige Gang des Weltgeistes gewesen sei, – was alles doch erst zu beweisen und nicht »mitzubringen« war.“

Georg Wilhelm Friedrich Hegel
In diesem Sinne entwickelt Hegel schließlich den Grundgedanken, die Weltgeschichte sei die Darstellung, wie der Geist zu dem Bewußtsein dessen komme, was er an sich bedeute. So sei Hegel zufolge eine Entwicklung zur Freiheit beobachtbar, nach der im Orient lediglich einer, dann bei den klassischen Völkern wenige frei gewesen seien, und die neuere Zeit schließlich alle frei mache.

Das Problem der von Hegel verfochtenen „Lehre von der Perfektibilität, d. h. dem bekannten sogenannten Fortschritt“ ist nach Burckhardt schlicht folgendes: „Wir sind aber nicht eingeweiht in die Zwecke der ewigen Weisheit und kennen sie nicht. Dieses kecke Antizipieren eines Weltplanes führt zu Irrtümern, weil es von irrigen Prämissen ausgeht.“

So liege die Gefahr aller chronologisch angeordneten Geschichtsphilosophien darin, „daß sie im günstigen Fall in Weltkulturgeschichten ausarten (in welchem abusiven Sinne man den Ausdruck Geschichtsphilosophie kann gelten lassen), sonst aber einen Weltplan zu verfolgen prätendieren und dabei, keiner Voraussetzungslosigkeit fähig, von Ideen gefärbt sind, welche die Philosophen seit dem dritten oder vierten Lebensjahr eingesogen haben.“

Der Grundirrtum einer Geschichtsprophetie ist freilich nicht nur bei Philosophen zu beobachten. „Ihr besonderes Recht hat die religiöse Geschichtsübersicht, für die das große Vorbild Augustins Werk de civitate dei ist, das an der Spitze aller Theodiceen steht.“ Aber auch „Weltpotenzen mögen die Geschichte nach ihrer Art ausdeuten und ausbeuten, z. B. die Sozialisten mit ihren Geschichten des Volkes.“

Das Problem ist hier auch ein methodisches, denn jede Methode ist „bestreitbar und keine allgültig. Jedes betrachtende Individuum kommt auf seinen Wegen, die zugleich sein geistiger Lebensweg sein mögen, auf das riesige Thema zu und mag dann diesem Wege gemäß seine Methode bilden.“

Ganz im Stile der späteren Schriften Karl Poppers gegen den Historizismus formuliert auch Burckhardt eine grundsätzliche Kritik an jeder Form der Geschichtsphilosophie. Unmissverständlich macht er klar, dass der einzig mögliche Ausgangspunkt für die Geschichtsphilosophie allein der duldende, strebende und handelnde Mensch sein kann, der Mensch „wie er ist und immer war und sein wird.“

„Die Geschichtsphilosophen betrachten das Vergangene als Gegensatz und Vorstufe zu uns als Entwickelten; – wir betrachten das sich Wiederholende, Konstante, Typische als ein in uns Anklingendes und Verständliches.

Jene sind mit Spekulation über die Anfänge behaftet und müßten deshalb eigentlich auch von der Zukunft reden; wir können jene Lehren von den Anfängen entbehren, und die Lehre vom Ende ist nicht von uns zu verlangen.“

Zitate aus: Jacob Burckhardt: Weltgeschichtliche Betrachtungen, Wiesbaden 2009 (Marixverlag)

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