Sonntag, 4. März 2012

Martin Heidegger und der Kurzschluss zwischen Romantik und Politik


(Foto: www.marcuse.org)
Am 27. Mai 1933, also kurz nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten hält Martin Heidegger seine berühmte Rektoratsrede. Seit dem 21. April 1933 ist er Rektor der Universität Freiburg und nur wenige Tage später, am 1. Mai 1933, tritt Heidegger demonstrativ in die NSDAP ein, obwohl es für Professoren im Gegensatz zu anderen Beamten keinen Zwang zur Parteimitgliedschaft gab. 

Heidegger sieht im Nationalsozialismus die Möglichkeit einer überfälligen Veränderung der Gesellschaft.  Es geht für ihn dabei nicht nur um den Kampf gegen die Funktionsuntüchtigkeit des Weimarer Parlamentarismus und für ein neues – völkisches – Gemeinschaftsgefühl. Vielmehr ist der Nationalsozialismus für ihn „etwas viel Erhabeneres, ist der Versuch, auf den Spuren Nietzsches in einer götterlosen Welt einen Stern zu gebären“ (Romantik, 344).

Seine Rektoratsrede mit dem Titel „Die Selbstbehauptung der Deutschen Universität“ drückt Heideggers Wunsch aus, die nationalsozialistische Revolution aktiv mitzugestalten. Heidegger hält seine Rede nicht als Mitläufer, sondern als entschlossener Revolutionär.

Seine Rede ist letztlich ein Lehrstück darüber, dass Romantik besser von der Politik ferngehalten werden sollte, wie Rüdiger Safranski in seinem Buch über die Romantik erklärt. Beispielsweise beschwört Heidegger in seiner Rede das typische romantische Pathos von Augenblick und Entscheidung. In der nationalsozialistischen Revolution nehme für Heidegger eine Elite des Volkes bewusst die Verlassenheit des heutigen Menschen auf und setzt ihre historische Mission in die Tat um. 

Um den Ereignissen die notwendige Tiefe zu geben, zieht Heidegger „alle Register einer politisch-metaphysischen Romantik“ (ebd, 344). Er „selbst inszeniert sich als geistiger Stoßtruppführer. Alle zusammen gehören sie zum Stoßtrupp, zur verwegenen Schar, und der Führer noch ein wenig mehr“ (ebd., 345).

Heidegger fordert in seiner Rede eine grundlegende Erneuerung der Universität: „Der Aufbau einer neuen geistigen Welt für das deutsche Volk wird zur wesentlichen Aufgabe der deutschen Universität. Das ist nationale Arbeit von höchstem Sinn und Rang“ (Heidegger, 273). Das Verhältnis von Professoren und Studierenden solle daher dem von Führern und Gefolgschaft entsprechen.

Vor allem müsse die Universität – ähnlich wie in der Antike – eine Ganzheit wiedergewinnen, nicht nur „irgendetwas Jenseitiges ergrübeln, sondern es geht einfach darum am Werke zu sein. So übersetzt Heidegger den griechischen Ausdruck `energeia´“ (ebd., 278). 

Folglich spricht Heidegger von der Notwendigkeit der drei Dienste:  „Arbeitsdienst – Wehrdienst – Wissensdienst“. Hier verwendet Heidegger das mittelalterliche Bild von den drei Ordnungen „Bauern – Krieger – Priester.“ Die Stelle der Priester nehmen nun – in Anlehnung und zugleich völliger Verkennung der platonischen Gedanken – nicht mehr die Priester, sondern die Philosophen ein. 

Nun also steht der Priester-Philosoph Heidegger da und hält seine Rede, „emporgereckt und martialisch mit Worten klirrend, der Priester ohne Botschaft vom Himmel, der metaphysische Sturmbandführer, umgeben von Fahnen und Standarten“ (Romantik, 346).

Heideggers Haltung wird Karl R. Popper später als Romantizismus bezeichnen, jene „irrationale Einstellung, die sich an Träumen von einer schönen Welt berauscht ... Dieser mag einen himmlischen Staat in der Vergangenheit oder in der Zukunft suchen, aber er wendet sich immer an unsere Gefühle, niemals an unsere Vernunft. Sogar mit der besten Absicht, den Himmel auf der Erde einzurichten, vermag er diese Welt nur in eine Hölle zu verwandeln – eine jener Höllen, die Menschen für ihre Mitmenschen bereiten“ (Popper, 200)

Überdeutlich zeigt sich in Heideggers Rede also der „Kurzschluss zwischen Romantik und Politik. Ein Verkennen der Grenzen der politischen Sphäre, in der pragmatische Vernunft, Sicherheit, Übereinstimmung, Friedensstiftung, Gerechtigkeit maßgeblich sein sollten, nicht Abenteuerlust, Wille zu Extremen, Intensitätshunger, Liebe und Todeslust. 

Immer aber bleibt das Missverständnis, dass man in der Politik etwas sucht, was man dort niemals finden wird: Erlösung, das wahre Sein, Antwort auf die letzten Fragen, Verwirklichung der Träume, Utopie des gelingenden Lebens, den Gott der Geschichte, Apokalypse und Eschatologie“ (ebd., 347).

Dies ist es, was sich Isaiah Berlin zufolge bei Heidegger also gut beobachten lässt: „die Machtergreifung der subjektiven Einbildungskraft zuerst auf geistigem Gebiet und dann in der Politik, was zur Zerstörung überkommener humaner Ordnungen geführt habe“ (ebd., 348). Es ist eben so, dass der Dionysiker erst ausnüchtern sollte, ehe er politischen Boden betritt (ebd., 325).

Am 27. April 1934 trat Heidegger vom Amt des Rektors zurück, da seine Hochschulpolitik weder an der Universität noch bei der Partei genügend Unterstützung fand. Der Grund war nicht, wie er dies später selbst darstellte, dass er die nationalsozialistische Hochschulpolitik nicht länger mittragen wollte, vielmehr ging ihm diese nicht weit genug!

Zitate aus: Rüdiger Safranski: Romantik. Eine deutsche Affäre, Frankfurt am Main 20010 (fischer) -- Rüdiger Safranski: Ein Meister aus Deutschland. Heidegger und seine Zeit, Frankfurt am Main 2002 (fischer)  --  Weitere Literatur: Karl Raimund Popper: Die offene Gesellschaft und ihre Feinde, Tübingen 1992 (Mohr / Siebeck)

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