Donnerstag, 26. Januar 2012

Friedrich August von Hayek und die Mont Pelerin Society

Während die alliierte Politik noch ganz von aktuellen Fragen der Kriegsführung gegen Hitler vereinnahmt ist, macht sich Friedrich August von Hayek bereits intensive Gedanken um eine dauerhafte Nachkriegsordnung in Europa. In einem Memorandum an das britische Außenministerium skizziert er im Februar 1943 seine Idee der „Vereinigten Staaten von Europa“, die durch eine weitgehend liberal verfasst Wirtschaftspolitik mit einer klaren Begrenzung der staatlichen sozialplanerischen Eingriffsmöglichkeiten die notwendige Voraussetzung für eine dauerhafte Friedensordnung sein würden.

Karl R. Popper und Friedrich August von Hayek
Im Zentrum von Hayeks Ordnungs- vorstellungen steht der Gedanke, dass geplante Wirtschaft und politische Demokratie nicht miteinander vereinbar sind. Daher solle sich der Staat auf die Fragen und Gebiete beschränken, „wo über das, was geschehen soll, unter der Mehrheit der Bevölkerung Übereinstimmung besteht oder durch Diskussion erreicht werden kann“, wie Hayek in seinem Vortrag „Der Mensch in der Planwirtschaft“ (1947) ausführt. Die Alternative zu Planwirtschaft sei natürlich kein „Laisser-faire“, sondern Ordnungspolitik im Sinne von Walter Euken und Franz Böhm, die positive Maßnahmen des Staates nötig machen.

Diese und weitere Bemühungen Hayeks, direkt Einfluss auf die Neugestaltung Europas zu nehmen, münden in die Gründung der „Mont Pelerin Society“ im April 1947.

Bereits am 28. Dezember 1946 verschickt Hayek ein Rundschreiben an knapp sechzig Ökonomen und Historiker, politische Philosophen und Publizisten, in dem er zu einer ersten informellen Zusammenkunft zu Ostern 1947 am Mont Pélerin nahe des Genfer Sees einlädt.

Hayek will einen engeren Kontakt herstellen zwischen all jenen weltweit zerstreuten Anhängern der liberalen Freiheitsphilosophie, die von der Neubestimmung der gesamten Beziehung zwischen Regierungsgewalt und individueller Freiheit überzeugt sind und deren Ziele die Verteidigung und Förderung von Freiheit, Rechtsstaatlichkeit, Privateigentum und Wettbewerb sind.

Tagung der Mont Pelerin Society - den Vorsitz führt von Hayek

Die Teilnehmerliste der ersten Tagung vom 1. bis 10. April 1947 liest sich wie das Who-is-Who einer Liberalen Internationalen: Maurice Allais, Walter Eucken, Milton FriedmanFrank Knight, Fritz Machlup, Ludwig von Mises, Karl Popper, Wilhelm Röpke, George Stigler. Den Vorsitz in der Mont Pelerin Society übernahm Friedrich August von Hayek selbst.

In einem zweiseitigen Kommuniqué beschreiben die Teilnehmer die Aufgaben und Ziele der Gesellschaft:
  • Analyse und Erklärung der gegenwärtigen Situation einschließlich der moralischen und ökonomischen Ursachen
  • Neudefinitionen der Staatsfunktionen mit dem Ziel einer klareren Unterscheidung zwischen Liberalismus und Totalitarismus
  • Etablierung von Methoden zur Etablierung der „rule of law“, also der Idee der Regierung allein auf der Basis von Gesetzen vor allen anderen Maßstäben oder Begründungen für staatliches Handeln
  • Aufzeigen von Möglichkeiten zur Errichtung von Minimalstandards durch marktverträgliche Instrumente (z.B. staatliche Fürsorge)
  • Entwicklung von Methoden zur Bekämpfung des Missbrauchs der Geschichte
  • Entwicklung einer internationalen Ordnung zur Friedenssicherung und zur Gewährleistung von harmonischen Wirtschaftsbeziehungen

Letztlich aber bestand für Hayek das weitgesteckte Ziel der der Gesellschaft darin, zur Durchsetzung des Liberalismus als Grundlage für die soziale Organisation beizutragen. Dabei ging er davon aus, dass auch in einer Demokratie die Entscheidung über die politische Richtung nicht immer nur über Wahlen getroffen würden, sondern auch durch die dominierenden intellektuellen Strömungen in der Öffentlichkeit beeinflusst werde.

Natürlich kam es bei den Diskussionen immer wieder auch zu Auseinandersetzungen – bei der Heterogenität der Mitglieder wahrlich kein Wunder. Legendär ist jedoch der Auftritt Ludwig von Mises, der, nachdem ein Vorschlag von ihm abgelehnt wird, die Sitzung erbost verlässt, nicht ohne den Anwesenden zuzurufen: „Ihr seid alle Kommunisten!“

Ein sichtbarer Erfolg der Gesellschaft gelang mit der Etablierung einer liberalen Wirtschaftspolitik in der Bundesrepublik Deutschland durch Ludwig Erhard, deren Grundzüge auf den Tagungen der Gesellschaft erläutert worden waren.

Insgesamt gehörten der Mont Pelerin Society bislang acht Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften an, darunter Hayek, Milton Friedman, James M. Buchanan, Ronald Coase und Vernon L. Smith.

Die Mitgliederzahl der Gesellschaft liegt heute bei über 500. Sie hat im Gegensatz zu anderen Denkfabriken keine festen Angestellten, auch Publikationen liegen nicht vor. Gleichwohl wurde die Mont Pelerin Society von der Sunday Times als „die einflussreichste, wenn auch wenig bekannte Denkfabrik der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts“ bezeichnet.

Auf dem 10jährigen Jubiläumstreffen beschrieb Hayek die Gesellschaft wie folgt: „Wir sind weder eine wissenschaftliche noch eine politische Gesellschaft, sondern etwas dazwischen. Ich glaube, dass wir wegen dem, was wir voneinander gelernt haben, bessere Bürger sowohl unserer Länder auch der Welt sind“ (zit. nach Hennecke, 265).
  
Quellen: 
Bernhard Walpen: Die offenen Feinde und ihre Gesellschaft. Eine hegemonietheoretische Studie zur Mont Pelerin Society, Hamburg 2004 (VSA-Verlag)  -  Hans Jörg Hennecke: Friedrich August von Hayek. Die Tradition der Freiheit, Düsseldorf 2000 (Verlag Wirtschaft und Finanzen)  -  Website der Mont Pelerin Society  -  Der sehenswerte Dokumentarfilm „Let’s Make Money“ widmet ein Kapitel der Mont Pelerin Society 


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